Die Neubesetzung einer Führungsposition ist ein kritischer Moment für jede Unternehmung. Nicht nur die Kosten dafür, die je nach Position und Unternehmen auf ein Jahresgehalt geschätzt werden, stehen auf dem Spiel. Der Umfang der Unterstützung und die Art und Weise der Einführung hat auch Signalwirkung auf die internen Nachwuchskräfte und spiegelt oft die vorherrschende Firmenkultur.
Mitarbeiter der Abteilung „Global Integration“ des Beratungsunternehmens Egon Zehnder haben in einer Onlineumfrage 588 Führungskräfte in Europa, Asien, Nord- und Lateinamerika nach ihren Erfahrungen zum Einstellungsprozess gefragt. Ein Drittel dieser leitenden Angestellten waren Vorstandsmitglieder. Fast 60 Prozent der Befragten brauchten sechs Monate, um ihre neue Rolle zu hundert Prozent ausfüllen zu können. Knapp 20 Prozent benötigten dafür sogar neun Monate. Weniger als ein Drittel der Umfrageteilnehmer berichtete von umfassender Unterstützung durch die Unternehmung bei der Einarbeitung in ihre neuen Aufgaben.
Diese Aussagen erstaunen umso mehr, als eine andere Umfrage unter 198 Personalchefs grosser Unternehmen die einheitliche Aussage ergab, dass alle über ein systematisches Einarbeitungsprogramm für die neuen Mitarbeiter verfügen. Hier scheint eine gefährliche Wahrnehmungslücke zu bestehen.
Aufgrund der Umfrageergebnisse können die Unterstützungsprogramme in den einzelnen Firmen grob in vier Level unterteilt werden. Die Dauer der Einarbeitungsphase korrelierte dabei auffällig mit dem Umfang der gewährten Unterstützung.
Level 0 – Friss oder stirb
Unternehmen, die sich auf diesem Starthilfelevel bewegen, tun nicht viel mehr als dem neuen Manager einen Arbeitsraum und technische Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Gemäss den Ergebnissen der angesprochenen Umfragen, bieten rund fünf Prozent aller globalen Unternehmen neuen Führungskräften eine solche minimale Unterstützung an.
Level 1 – Basisorientierung
Der neuen Führungskraft werden Informationen zu Unternehmenspolitik und –strategie, Mitarbeiterbewertungen, Organisationsstruktur und Geschäftsergebnisse vermittelt. Das Unternehmen liefert also lediglich Rohdaten, die selbständig zu analysieren und zu interpretieren sind. Auch wenn es sich um qualitativ hochwertige Informationen handelt, unterstützt der Arbeitgeber in dieser Konstellation den Mitarbeitenden nicht bei der Einschätzung ihrer Bedeutung. Dieses Vorgehen ist laut den Umfrageergebnissen bei rund zwei Dritteln aller globalen Unternehmen üblich.
Level 2 – Aktive Einbindung
Auf diesem Level organisiert das Unternehmen Treffen mit wichtigen Interessenvertretern, um dem neuen Manager tiefergehende Informationen über das Geschäft, sein neues Team, die Unternehmenskultur und strategische Prioritäten zu vermitteln. Höchstens 25 Prozent der Unternehmen in der Umfrage investieren jedoch Zeit, Geld und Energie in eine solch umfassende Starthilfe für ihre neuen Führungskräfte. Es ist für diese Unternehmen schwierig einzuschätzen, wieviel Zeit für solche Treffen eingeplant soll. Insbesondere wenn es die wichtigsten Unterschiede zwischen dem früheren und dem jetzigen Arbeitsumfeld der neuen Mitarbeitenden nicht genau kennt. Ohne vorhergehendes Briefing besteht für das Unternehmen die Gefahr, dass wichtige Fragen und Probleme in den Meetings mit den Interessenvertretern übersehen und nicht besprochen werden.
Level 3 – Beschleunigte Integration
Im optimalen Fall organisiert das Unternehmen für neue Führungskräfte individuelle Schulungsmassnahmen, mit deren Hilfe sich die Manager schneller und vollständiger in ihr neues Umfeld integrieren können. Das können beispielsweise Workshops zum Teamaufbau und offene Diskussionen über die Unternehmensstrategie sein. Dies hilft den neuen Mitarbeitenden besondere Herausforderungen im Hinblick auf die Unternehmenskultur frühzeitig zu erkennen und zu bewältigen. Obwohl in der Umfrage deutlich wurde, dass die Arbeitgeber von einem solchen Vorgehen profitieren können, gehen nur etwa 2 Prozent aller globalen Unternehmen bei der Integration neuer Führungskräfte so systematisch vor.
Diese Umfrage hat deutlich gezeigt, dass Unternehmen sehr viel Energie in die Auswahl und Rekrutierung geeigneter neuer Führungskräfte investieren. Das anschliessende Onboarding resp. Integrieren der neuen Mitarbeitenden wird von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich gewichtet. Das kann zu teuren Missverständnissen führen.
Je länger und schwieriger sich ein solcher Integrationsprozess gestaltet, umso grösser ist das Risiko für Frustration und innerer Kündigung seitens der Mitarbeitenden. Es hat sich auch gezeigt, dass die administrativen Prozesse und die Vermittlung der formalen juristischen Anforderungen bei allen Unternehmen gut organisiert sind. Die Stolpersteine, welche zu frühzeitigen Trennungen geführt haben, lagen in den unterschiedlichen Erwartungen von Team und neuer Führungskraft. Oder in der unterschiedlichen Auslegung der Firmenstrategie. Auch eine fehlende Passung zur Unternehmenskultur wurde oft genannt.
Auch wenn die versuchsweise Einführung einer beschleunigten Integration bei ausgewählten Unternehmen eine Verkürzung der Einarbeitungszeit von sechs auf vier Monate gezeigt hat, sind viele Verantwortliche nicht überzeugt, dass sich ein solcher Aufwand in ihrer Organisation rechtfertigen lässt. Vermutlich fehlt es oft auch am nötigen Know-how und den personellen Ressourcen in der Personalabteilung.
Trotz aller Skepsis erscheint mir der Ansatz mehr als ein Versuch wert zu sein. Natürlich ist es verlockend, einem neu eingetretenen Mitarbeitenden die Qualitätsrichtlinien und das Führungshandbuch in die Hand zu drücken und sich wieder seinen eigenen Aufgaben zu widmen. Vor allem, wenn eine Einführung in die Firmenkultur je nach Aufgabenbereich ein sehr aufwendiges und langwieriges Unterfangen ist. Und es braucht immer auch den Willen und den Einsatz beider Parteien, um zu einem erfolgreichen Ergebnis zu kommen.
Wir sollten also die nächsten Neueintritte nicht nur an Bord willkommen heissen, sondern so umfassend und vollständig wie möglich integrieren. Wer die besten Fachkräfte in seiner Organisation langfristig halten will, sollte begreifen, dass mit der Unterschrift unter den Anstellungsvertrag die Arbeit erst begonnen hat.