In den vorangegangenen Artikeln wurden die Emotionen als verhaltensvorbereitende physiologische Funktion vorgestellt (1. Teil). Wir lernten ausserdem, dass sich die Motivation aus Motiven und situativen Anreizen zusammensetzt (2. Teil). Und das Verhalten wurde als das beobachtbare Ergebnis eines sehr komplexen Vorganges der Wahrnehmung dieser individuellen Motive und Anreize beschrieben (3. Teil).

Da sich jedoch die wenigsten Veränderungsprozesse nur auf eine Einzelperson auswirken, soll in diesem Teil der Einfluss und die Auswirkungen auf eine Gruppe untersucht werden.

Die meisten von uns sind in ihrer beruflichen Tätigkeit Teil einer Gruppe, neudeutsch gerne auch Team genannt.

Definition einer Gruppe

Unter einer Gruppe oder einem Team werden zwei oder mehrere Personen verstanden, die über eine gewisse Zeit so zusammenwirken, dass jede Person die anderen Personen beeinflusst und von ihnen beeinflusst wird. Sie hat ein gemeinsames Ziel, eine (Gruppen-)Struktur mit Rollen und Normen sowie ein Wir-Gefühl (von Rosenstiel, 2003).

Es können grundsätzlich zwei Arten von Gruppen innerhalb eines Unternehmens unterschieden werden. Die formellen Gruppen werden in ihrer Zusammensetzung durch die Aufgabenverteilung und die Zuständigkeiten von aussen bestimmt. Es handelt sich also um eine Zweckgemeinschaft. Die informellen Gruppen finden demgegenüber spontan zusammen. Sie sind durch gemeinsame Merkmale, Interessen oder Sympathie gekennzeichnet.

Unabhängig von der Art der Gruppe ist es für Führungskräfte wichtig, die Normen und Werte, die in den von der Veränderung betroffenen Gruppen gelten, zu kennen und zu berücksichtigen. Dazu kann das beobachtbare Verhalten erste Anhaltspunkte liefern. Aber auch die soziodynamische Rangstruktur ist ein wichtiger Faktor, um einen Veränderungsprozess erfolgreich anzustossen, damit die richtigen Personen zum richtigen Zeitpunkt mit ins Boot geholt werden können.

 

Die soziodynamische Rangstruktur in Gruppen

Der Psychoanalytiker Raoul Schindler entwickelte 1957 ein viel beachtetes Modell der Rangdynamik.

Im Wesentlichen werden vier Rollenpositionen beschrieben:

  • Die Alpha-Position repräsentiert die Gruppe nach aussen. Ihr Inhaber ist der eigentliche Führer der Gruppe. Seine Ziele sind die Ziele der Gruppe.
  • Die Beta-Position kennt die Interessen der Gruppe sehr genau. Er wird von Alpha anerkannt und hat eine gewisse Unabhängigkeit. Er muss seine Position aber mit überzeugenden Argumenten und Leistung behaupten können.
  • Die Gamma-Position ermöglicht die anonyme Mitgliedschaft in der Gruppe. Die Inhaber der Gamma-Position ordnen sich dem Kollektiv unter und bilden die Gefolgsleute von Alpha. Es können verschiedene Ausprägungen (Mitläufer, Helfer, Ideologen) der Gamma-Position unterschieden werden.
  • Die Omega-Position übernimmt der Aussenseiter innerhalb der Gruppe, der auch als „Sündenbock“ oder „schwarzes Schaf“ bezeichnet wird. Paradoxerweise braucht es einen solchen Aussenseiter um die Gruppe zu stabilisieren. Omega kritisiert Alpha und stellt unbequeme Fragen.

Schindler (1957) geht davon aus, dass sich jede Gruppe in Abgrenzung zu einem „Gegner“ bildet.

 

Der Gegner von Gruppen

Der Gegner steht ausserhalb der Gruppe. Er verkörpert ihr Feindbild und vereint somit gleiche Merkmale auf sich wie Omega innerhalb der Gruppe.

Dieser Gegner muss aber nicht zwangsläufig ausserhalb der eigenen Unternehmung stehen. Der Gegner kann eine andere Abteilung, ein konkurrierendes Vertriebsteam oder sogar der Bereichsleiter sein, der eine Umstrukturierung oder eine Prozessoptimierung einführen will.

 

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich in einer Gruppe immer Normen und Werte entwickeln, die es zu beachten gilt. Je länger nun eine solche Gruppe zusammen arbeitet, desto stärker sind im Normalfall auch die Kräfte, welche einer möglichen Veränderung entgegen wirken könnten. Insbesondere, wenn sich die einzelnen Gruppenmitglieder weiterhin innerhalb dieser Gruppe bewegen wollen oder müssen, werden sie sich eher diesen Kräften unterordnen als neue Gewohnheiten zu entwickeln.

Viele Führungskräfte sind sich dieser Tatsache nicht bewusst oder unterschätzen deren emotionales Potential. Schon Kurt Lewin hat in seinen Untersuchungen festgestellt, dass der Gruppenzwang stärker ist als die persönlichen Werte der einzelnen Gruppenmitglieder.

 

Diese kurze, zwangsläufig unvollständige Übersicht über eine mögliche Gruppendynamik und ihre Auswirkungen auf das Verhalten ihrer Gruppenmitglieder, zeigt erneut, wie komplex die Aufgabe ist, eine Verhaltensänderung anzustossen.

Vor diesem Hintergrund können die 20 – 30 % der Veränderungsprozesse, welche als erfolgreich bezeichnet werden, eigentlich als hohe Erfolgsquote eingestuft werden.

Wie kann dieser Anteil verbessert werden? Weshalb waren diese Projekte erfolgreich? Was gilt es zu beachten? Diesen und anderen Fragen gehen wir im fünften und letzten Teil dieser Reihe auf den Grund.

Bis dahin haben Sie vielleicht Lust, die Rollen in der vorherrschenden Gruppendynamik zu beobachten und zu versuchen, sie positiv zu beeinflussen?

 

Bleiben Sie motiviert und unterstützen Sie Ihr Team beim Erreichen der gesetzten Ziele!