Am Ende des ersten Teils dieser kleinen Reihe hatten wir erkannt, dass die Emotionen der Beteiligten an einem Veränderungsprozess ein wichtiger, aber leider wenig beachteter Teil des Erfolgs sind.
Im Anschluss an ein gescheitertes Projekt werden oft fehlende Motivation oder irrationales Verhalten der Mitarbeitenden verantwortlich gemacht. Aber, ist das wirklich die Ursache oder nur das beobachtete Phänomen? Und wie entsteht Motivation eigentlich?
So entsteht Motivation
Interaktion
Damit Motivation entsteht, braucht es in erster Linie eine Interaktion zwischen Person und Situation (Heckhausen & Heckhausen, 2010). Also das Zusammenwirken von personenbezogenen Motiven und situationsbedingten Anreizen (Nolting & Paulus, 2016). Diese Motive und Anreize werden im Folgenden näher ausgeführt:
Motive
Motive stellen die bewussten und unbewussten Beweggründe des menschlichen Verhaltens dar (Fröhlich, 2015). Vollmeyer & Brunstein definierten in ihrer Arbeit 2005 die drei grossen Motivklassen
- Leistung (Wenn es um das Ziel geht, sich mit einem Gütemassstab zu messen),
- Macht (Wenn es um das Ziel geht, das Erleben und Verhalten anderer zu beeinflussen) und
- Anschluss (Wenn es um das Ziel geht, positive Beziehungen zu knüpfen)
Diese drei Motivklassen sind heute weitgehend akzeptiert.
Anreize
Anreize ergeben sich aus dem Situationskontext, die dem Individuum Positives oder Negatives prophezeien (Heckhausen & Heckhausen, 2010). Es sind diese Anreize, die Menschen dazu bringen, bestimmte Handlungen auszuführen oder zu unterlassen (Nerdinger et al., 2014).
In der folgenden Abbildung sind die Zusammenhänge dargestellt:
Motiv und Anreiz führt zu Motivation (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Rheinberg, 2004, S. 22)
Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass wir personenseitig zwei unabhängige Bedürfnissysteme, nämlich implizite und explizite Motive vorfinden. Diese bilden eine inhaltsübergreifende Differenzierung, die miteinander kongruent oder inkongruent sein können (Brandstätter et al., 2013).
Noch interessanter wird es, wenn wir die Forschungsergebnisse von McClelland, Koestner & Weinberger (1989) berücksichtigen. Diese besagen, dass implizite Motive ontogenetisch früh entstehen, also vor-sprachliche affektive Erfahrungen im sozialen Umfeld sind. Diese sollen für stabile Präferenzen sorgen, welche später weitergeführt werden. Brunstein (2010) spricht von affektgesteuerten Bedürfnissen. Da diese unbewusst ablaufen, können sie nicht über die Selbstreflektion wahrgenommen werden. Was wiederum zur Folge hat, dass Mitarbeitende, nach ihren Motiven befragt, nur über die bewusst abrufbaren motivationalen Selbstbilder Auskunft geben können, also über explizite Motive (Brandstätter et al., 2013).
Situationsseitig sehen wir ebenfalls zwei Gruppen von Anreizen aus der Umwelt: Die intrinsischen sind für McClelland et al. (1989) Tätigkeitsanreize (aus der eigentlichen Tätigkeit selbst) und die extrinsischen werden als soziale Anreize (in Form von sozialen Bezugsrahmen) bezeichnet.
Zur Veranschaulichung kann dieses Beispiel dienen:
Eine implizit leistungsorientierte Person sieht den Anreiz intrinsisch in der Arbeit selbst und vergleicht sich mit ihrem eigenen Gütemassstab. („Bin ich besser geworden?“), während eine explizit leistungsorientierte Person fragt: „Bin ich besser als die anderen?“ und sich von der Wettbewerbssituation resp. der Anerkennung durch andere Anregen lässt (Brandstätter et al., 2013).
Motivation
Aus den beschriebenen personenseitigen Motiven und den situationsseitigen Anreizen bildet sich die Motivation, welche ebenfalls in intrinsische und extrinsische Motivation unterteilt wird (Brandstätter et al., 2013). Wobei die intrinsische Motivation ihren Ursprung in der Person und in der eigentlichen Tätigkeit selber hat und somit ziemlich stabil ist. Die extrinsische Motivation hingegen, die ihre Attraktivität durch äussere Faktoren nährt, also zum Beispiel materielle Belohnung, Strafandrohung oder soziale Bewertungen wie Tadel oder Noten, kann sich bei Wegfall eines dieser Faktoren verhältnismässig schnell ändern (Brandstätter et al., 2013).
Motivation ist eine wichtige Voraussetzung für gute Leistungen in Organisationen
Die Bereitschaft des Individuums seine Fähigkeiten und Fertigkeiten bestmöglich in den Dienst der Organisation zu stellen sind die Grundvoraussetzung für den Erfolg derselben (Kleinbeck, 2009). Gleiches gilt natürlich im Verlauf eines Change-Prozesses, was die Mitarbeit und das Verhalten betrifft.
Dem Verhalten gilt unsere Aufmerksamkeit im dritten Teil dieser Reihe.
Bis dahin könnten Sie sich Gedanken zu Ihren eigenen Motiven und den Anreizsituationen in Ihrem beruflichen Umfeld machen:
- In welcher Form sind diese Anreize wahrnehmbar?
- Wirken diese Anreize motivierend im Sinne einer guten Unternehmenskultur?
- Fördern sie die Bereitschaft für Veränderungen?
- Und vielleicht die wichtigste Frage: Passen diese Anreize zu Ihren eigenen Werten?