Weshalb bin ich hier? Wozu das alles? Alle Menschen stellen sich die Sinnfrage. Nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch privat. Doch die Antworten lassen sich nicht so einfach finden, wie einige glauben.

Viele Unternehmen unterstellen ihren Mitarbeitenden eine rein extrinsische Motivationsorientierung und richten ihre Anreizsysteme an Status und finanziellem Nutzen aus. Für nutzenorientierte Mitarbeiter soll der Lohn finanzielle Sicherheit und ein angenehmes Privatleben ermöglichen. Für statusorientierte Mitarbeiter ist die Arbeit ein Mittel um Macht, Erfolg und Anerkennung zu erlangen. Im Umfeld der aktuellen Covid-19-Krise stossen diese extrinsischen Motivatoren an ihre Grenzen. Die von aussen vorgesetzten Anreize verlieren mit zunehmender Dauer im Homeoffice an Wirkung und es entsteht Raum für existentielle Fragen. Es zeigt sich nicht nur eine räumliche Distanz zum Arbeitgeber, sondern auch die fehlende Sinnstiftung in der Tätigkeit.

Vor allem die jüngeren Generationen ab den Jahrgängen 1985 und jünger stellen sich die Sinnfrage sehr bewusst und suchen sich eine moderne Unternehmung, in der auf sinnstiftende Arbeit geachtet wird.

Drei intrinsische Dimensionen stehen dabei im Vordergrund:

 

Die Beitragsorientierung (Societal Dimension)

Beitragsorientierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfinden Sinn in ihrer Arbeit, wenn sie einen Nutzen für Dritte schaffen. Sie sind also nicht primär am Eigennutzen interessiert, sondern wollen einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Ein Experiment des amerikanischen Organisationspsychologen Adam M. Grant mit Callcenter-Mitarbeitenden zeigt, dass sich ein kurzes, persönliches Gespräch mit einem Mitarbeitenden exponentiell auf seine Erfolgsquote in den folgenden Monaten ausgewirkt. Kontrollgruppen, die kein Feedback zu ihrer Arbeit erhielten, zeigten keine derartigen Verbesserungen. Diese Studie macht deutlich: Wer den Sinn und Zweck in seiner Tätigkeit erkennt, ist um ein Vielfaches motivierter. (Regelmässige Leser dieses Blogs wissen es längst: Glückliche Mitarbeiter sind erfolgreicher!)

Folgende Fehler sollten Sie vermeiden: Nehmen Sie Ihre Mitarbeitenden ernst und schieben Sie sie nicht in die Kategorie der „Weltverbesserer“ ab. Auch die vorschnelle Ausrede „Mit unserem Unternehmen (resp. unseren Produkten) können wir sowieso nichts beitragen“, gilt nicht.

Formulieren Sie stattdessen Ihr Purpose-Statement möglichst praxisnah, und nicht ausschliesslich zu Marketingzwecken, um das Image des Unternehmens mit einem scheinheiligen, gesellschaftlichen Beitrag aufzupolieren.

 

Die Gemeinschaftsorientierung (Social Dimension)

Mitarbeitende mit Gemeinschaftsorientierung finden Kraft und Sinn in der Arbeit, wenn sie sich als Teil einer Gruppe mit ähnlichen Werten und Interessen wahrnehmen. Für diese Menschen sollte das Unternehmen darauf achten, dass eine hohe Beziehungsmöglichkeit zwischen den Teammitgliedern geschaffen wird. So kann eine stark verbundene Gemeinschaft entstehen, zu der die Teammitglieder eine hohe Zugehörigkeit empfinden. In der Konsequenz bedeutet dies für die Führungskräfte solcher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass eine intensive Kommunikation mit der Gruppe stattfinden muss, um die gelebten Werte zu kennen und gegen aussen zu vertreten. Auch sollten neue Teammitglieder von ihrer Art her in diese Gruppenidentität passen, um allfällige Konflikte zu vermeiden.

 

 

Die Leidenschaftsorientierung (Personal Dimension)

In uns allen steckt ein intrinsisches Verlangen zur Selbstentfaltung und dem Ausschöpfen unseres Potentials. Wir alle möchten, bewusst oder unbewusst, unsere Stärken und Fähigkeiten einsetzen und herausfordernde Ziele erreichen. Diese Quelle der Sinnstiftung muss aber auch durch die Unternehmenskultur und die zuständigen Führungskräfte ermöglicht werden. Für letztere heisst das konkret, dass sie Menschen mögen müssen und ehrliches Interesse zeigen sollten. Dieser Satz ist absolut nicht esoterisch gemeint. Es bedeutet schlicht und einfach, den Menschen mit seinen Stärken und Schwächen wahrzunehmen, und nicht nur seine aktuelle Tätigkeit. Bei welcher Gelegenheit hat der Mitarbeitende scheinbar ohne grosse Anstrengung Aussergewöhnliches geleistet? Wann ging er oder sie voll und ganz in seiner Aufgabe auf? Wer sich als Vorgesetzter solche Fragen stellt und die Arbeitsumgebung so strukturiert, um seinen Mitarbeitern die entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten, ist auf dem richtigen Weg.

Es gibt mehr als genug Beispiele von Mitarbeitenden, die nicht am richtigen Ort eingesetzt werden und ihr Potential nicht ausschöpfen. Abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden sind in solchen Fällen die innere Kündigung und/oder eine Depression vorprogrammiert.

Vor dem Hintergrund der in immer kürzeren Intervallen auftretenden Krisen wird die Suche nach dem Sinn im Leben und in der eigenen Arbeit gerade für die Toptalente eine neue Dynamik erfahren. Vor allem die jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden den Unternehmen vermehrt die Frage nach dem Wozu stellen.

Die etwas altertümlich anmutende Vorgabe von Umsatz- und Gewinnzielen durch die Geschäftsleitung reicht schon lange nicht mehr, um die Mitarbeitenden zu Höchstleistungen anzuspornen. Dasselbe gilt für pseudo-soziale Kalendersprüche von externen Marketingagenturen, welche einen Beitrag für eine bessere Welt vorgaukeln. Sinn, oder Neudeutsch: Purpose, findet jeder Mensch für sich selber. Unternehmen und Führungskräfte sollten darauf verzichten, einen Sinn vorzugeben. Im Idealfall wird Sinn ermöglicht und authentisch mit voller Überzeugung vorgelebt.

Und wie sinnerfüllt ist Ihre Arbeit?